Buchtipps Herbst/Winter 2018
Buchtipps Herbst/Winter 2018
Blaue Blumen zu Allerseelen
Santo Piazzese
Stimmungsvoller Palermo-Krimi
Um es vorweg zu sagen: Wer einen actiongeladenen, blutigen Krimi sucht, kommt bei Piazzese nicht auf seine Kosten. Er ist eher der sizilianische Simenon, der seinen Kommissar Spotorno mäandernd und intuitiv ermitteln lässt. Zwei Männer sind in einem Auto erschossen worden. Der eine, Mancuso, ein stadtbekannter Krimineller, der andere, sein Fahrer Rosario, ein Jugendfreund Spotornos. Rosario scheint nur der Kollateralschaden einer Auseinandersetzung zu sein. Doch dann wird auch Nunzia, eine Haushälterin von Rosarios Mutter, ermordet aufgefunden. Der kleine, neue Verlag Edition Converso aus Bad Herrenalb hat diesen stimmungsvollen Palermo-Krimi von 2002 wieder ausgegraben. Herzlichen Dank dafür!
Sven Puchelt
Die Musikanten-Zunft
George Sand
Zentralfrankreich, Ende des 18. Jahrhunderts
George Sand ist in Deutschland vor allem durch ihre Beziehung zu Frédéric Chopin und das Buch „Winter auf Mallorca“ über den gemeinsamen Aufenthalt auf der Mittelmeerinsel bekannt. Nun können wir auch einen ihrer großen Dorfromane wiederentdecken. In diesem 1853 erschienenen Roman berichtet George Sand vom Leben im Berry des ausgehenden 18. Jahrhunderts, eine Zeit, die Sand also nicht selbst erlebt hat, sondern nur aus Erzählungen kennt. Rund um die Jugendfreunde Joseph, Steffen und Brülette erzählt sie vom täglichen Überlebenskampf, den Streitereien unter Musikern, Bauern und Holzfällern, von unglücklicher Liebe und der ewigen Suche nach Glück. Manchmal pathetisch, manchmal frech, manchmal spannend, aber immer von großer Liebe zu den Protagonisten und der umgebenden Landschaft gezeichnet. Der französische Titel des Romans, „Les Maîtres Sonneurs“, stand Pate für eines der größten Festivals für Bordun-Musik, und dem Tübinger Musiker Christoph Pelgen als Herausgeber ist es zu verdanken, dass dieser wunderbare Roman in der bislang einzigen deutschen Übersetzung von Claire von Glümer aus dem Jahr 1856, ergänzt um einen informativen Anhang, nun wieder aufgelegt wurde.
Sven Puchelt
Stan
John Connolly
Der Mensch hinter der Rolle des Komikers
Dieser Roman hat mich sehr berührt, denn bisher habe ich mich weder mit den Anfängen des Filmgeschäfts noch mit Stan & Laurel näher beschäftigt.
Der Roman von Connolly war für mich wie ein Rausch, viele Namen und Personen, eine zeitweise derbe Sprache und ein „Hineinstürzen" in die Handlung. Dann schält sich immer mehr der Mensch Stan Laurel heraus, und ein Gefühl der Nähe entsteht, begleiten wir Stan doch durch harte Jahre, viele Liebeswirrungen und auch in seinem Erfolg. Und die ganz besondere Beziehung zu Oliver Hardy ist so liebevoll gezeichnet, dass mich das nicht losgelassen hat.
Birgit Rupp
Libellenschwestern
Lisa Wingate
Verkaufte Kinder
Die junge Avery Stafford stammt aus einer wohlhabenden Südstaatenfamilie mit großem gesellschaftlichem Einfluss. Sie plant, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, der Politiker ist. Doch ihr Leben erfährt eine Wendung, als sie bei einer Wahlkampfveranstaltung in einem Altersheim zufällig die neunzigjährige May Crandall kennenlernt. Auch wenn May auf den ersten Blick altersverwirrt zu sein scheint, wird bald klar, dass es eine Verbindung zwischen beiden Frauen gibt; diese geht auf kriminelle Ereignisse aus den dreißiger Jahren zurück, bei denen Familien auseinandergerissen wurden. Eine spannende, fast unglaubliche Geschichte, die aber tatsächlich auf Fakten beruht.
Elisabeth Nagel
Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge
Ruth Hogan
Verlorene Dinge, verlorene Menschen – alle wollen gefunden werden
„Und so fing ich mit meiner Sammlung verlorener Dinge an. Vielleicht dachte ich, wenn ich jeden verlorenen Gegenstand rettete, den ich fand, würde jemand das Einzige auf der ganzen Welt retten, an dem mir wirklich etwas lag.“ Mr. Peardew ist ein etwas seltsamer Engländer, der sehr einzelgängerisch lebt. Allein seine „Haushaltshilfe“ Laura hat sein Vertrauen – so viel, dass er ihr nach seinem Tod die Aufgabe „vererbt“, die Besitzer seiner gefundenen Dinge ausfindig zu machen und ihnen den Handschuh, das Teegeschirr, den Schirm und vieles mehr zurückzugeben. Irgendwann merkt Laura, was das Geheimnis von Mr. Peardew war. Bis es soweit ist, erlebt sie selbst Verluste und findet unerwartete Freundschaften, zeitlose Liebe und mehr. Ruth Hogan erzählt diese Geschichte wie ein Märchen, dazwischen die Geschichten von Mr. Peardew über seine gefundenen Dinge als roter Faden. Das ist wie ein Puzzle, und bis zum wunderschönen Schluss muss es immer noch ein Teilchen sein, und noch eines. Ein Buch zum Verlieben, das man nicht weglegen kann – genau das Richtige für lange Herbst- und Winterabende.
Andrea Schubert
Der Platz an der Sonne
Christian Torkler
Willkür der Ungerechtigkeit
Josua Brenner, der Hauptfigur des Romans, wird 1978 in Berlin geboren. Dieses fiktive Berlin gehört zur neuen preußischen Republik und liegt nach vielen kriegerischen Auseinandersetzungen in Trümmern. Eine kleine anarchische Machtelite stellt die Regierung dar, welche rechtsfrei über die Bevölkerung herrscht. Josua kämpft sich in seiner Kindheit mit allen möglichen Arbeiten durch den Tag, um seine Familie zu unterstützen, die das väterliche Oberhaupt schon früh verloren hat. Nachdem er eine eigene Familie gegründet und sich seinen Traum von einer Kneipe mühsam verwirklicht hat, scheint es für ihn langsam bergauf zu gehen. Diese Annahme erweist sich jedoch als trügerisch. Keinen anderen Ausweg mehr in Sicht, macht er sich auf den Weg Richtung Süden. Sein Ziel sind die reichen afrikanischen Staaten, wo er sich eine lebenswerte Zukunft und das Zusammentreffen mit einem alten Schulfreund erhofft. Christian Torkler hat selbst lange Zeit in Afrika gelebt und lässt seine Erfahrungen in seinem ersten Roman mit einfließen. Für diesen hat er eine einfache Sprache gewählt, die ihre Wirkung aber keinesfalls verfehlt. Die Lebensgeschichte von Josua Brenner entfaltet sich langsam, und man begleitet ihn bangend und hoffend bei seinem unermüdlichen Kampf gegen höhere Gewalten. Ein Gedankenspiel, über das man noch lange nachzudenken hat.
Patricia Mock
Grenzgänger
Mechtild Bormann
Deutsche Nachkriegsgeschichte - packend und spannend erzählt
Erzählt wird die Geschichte von Henni Schöning. Im Herbst 1970 steht sie vor Gericht und wird beschuldigt ihren Vater und eine Nonne aus einem Kinderheim ermordet zu haben. Sie schweigt zu den Vorwürfen. Warum? Und was ist wirklich passiert?
Henni ist zwölf und lebt mit ihrer Familie am Rande der Eifel, als der Krieg endlich vorüber ist. Mit siebzehn übernimmt sie die Verantwortung für ihrer jüngeren Geschwister, als ihre Mutter plötzlich verstirbt. Mit Kaffee-Schmuggel versucht sie etwas dazuzuverdienen. Doch dann geschieht ein Unglück, und die Kinder kommen ins Heim. Erzählt wird von Hennis Mut und Übermut, von ihrem Glück und Unglück, von ihrer Schuld und Unschuld und dem Bedürfnis, das Richtige zu tun.
Jeannine Beihofer
Das Meer
Wolfram Fleischhauer
Wenn der Zweck selbst mörderische Mittel heiligt und nur noch Eskalation hilft
Selten habe ich einen so aktuellen, realistischen und dramatischen Roman gelesen wie diesen Ökothriller von Wolfram Fleischhauer. Im Mittelpunkt steht die skrupellose Ausbeutung der Meere durch hochmoderne Fischfangflotten. Die Politik scheint machtlos oder will machtlos sein. Eine Gruppe radikaler Umweltaktivisten erreicht mit „normalen“ Mitteln nichts – und greift zu einer (fast) mörderischen Methode, dem Ganzen Einhalt zu gebieten. Das funktioniert, doch es bringt auch zwei junge Umweltschützerinnen in Lebensgefahr. Eine, Teresa, verschwindet von Bord einer schwimmenden Fischfangfabrik, als sie dort zur Kontrolle der Quoten im Auftrag der zuständigen EU-Behörde arbeitet. Die andere, Ragna, verschwindet freiwillig irgendwo im südostasiatischen Dschungel, um die Aktionen nicht zu gefährden. Auf der Suche nach den beiden geraten Teresas Geliebter und Ragnas Vater wie die beiden Frauen in den brutalen Apparat der globalen Fischereimafia, erleben machtlos die gleichgültige Öffentlichkeit und die handlungsunfähige Politik. Die Lösung des Problems mag utopisch sein, aber Fleischhauer schildert den Weg dorthin in seinem Roman erschreckend realistisch und vielleicht wirklich als den einzig gangbaren Weg.
Andrea Schubert
Oxen-Trilogie
Jens Henrik Jensen
Skandinavische Spannung vom Feinsten
Niels Oxen, hochdekorierter Elitesoldat, der mit den Erinnerungen an seine Einsätze auf dem Balkan und in Afghanistan zu kämpfen hat, möchte fernab der Zivilisation in einem Waldgebiet zur Ruhe kommen. Bei einem nächtlichen Ausflug findet er einen ermordeten Adligen, Ex-Botschafter und Gründer eines bedeutenden Thinktanks. Oxen, zuerst des Mordes verdächtigt, wird von Mossman, dem undurchsichtigen Chef des dänischen Geheimdienstes PET bei den Ermittlungen hinzugezogen. Gemeinsam mit der PET-Mitarbeiterin Margrethe Franck beginnt Oxen zu ermitteln und stößt auf den dänischen Geheimbund Danehof, dessen Mitglieder seit Jahrhunderten die politischen Fäden im Land in der Hand halten. Drei Bände Hochspannung.
Sven Puchelt
Hinter den drei Kiefern
Louise Penny
Hochspannung in Kanadas Wäldern
Endlich erscheinen die Kriminalromane von Louise Penny wieder in deutscher Sprache. In Kanada stehen ihre Bücher immer ganz oben auf der Bestsellerliste. In diesem Krimi ermittelt Armand Gamache, mittlerweile Polizeichef von Québec, schon in seinem 13. Fall. Er ist ein Ermittler, der konsequent gegen Korruption in den eigenen Reihen und das organisierte Verbrechen kämpft. Mit seiner Frau lebt er mit liebenswerten und zuweilen etwas kauzigen Bewohnern in Three Pines, einem kleinen idyllischen Ort in den Wäldern Kanadas. Dort erscheint eines Tages auf dem Dorfanger eine ganz in schwarz gekleidete Person mit Maske und rührt sich nicht vom Fleck. Sie erinnert an einen historischen Cobrador, einen Schuldeneintreiber in Spanien. Dann ist der Fremde plötzlich verschwunden, und kurz darauf wird im Gemeindehaus eine Leiche entdeckt, die seine Kleidung trägt. Bei der Aufklärung dieses Falles werden Gamache und sein Team bis an ihre Grenzen gehen müssen.
Anja Saly
Jack
Anthony McCarten
Ein Verwirrspiel
1968: Weltweit demonstriert eine ganze Generation junger Menschen gegen die Enge des Bürgertums, für Frieden und freie Liebe. Und ausgerechnet Jack Keruac, der mit „Unterwegs“ die Bibel der Hippie-Bewegung geschrieben hat, sitzt betrunken auf dem Sofa seiner Mutter und will von alledem nichts wissen. Das ist der Ausgangspunkt der Geschichte, als aus heiterem Himmel eine Literaturstudentin auftaucht. Ihr Traum ist es, die erste autorisierte Biografin des Beatnik-Idols zu werden. Obwohl er sich weigert, lässt sich Jack, geschmeichelt von der Bewunderung der jungen Frau, zu einem Blick zurück verführen. Nun beginnt ein Spiel mit Identitäten, das nicht nur Jack Keruac beherrscht! Eine sehr spannende und unterhaltsame Lektüre mit vielen Wendungen, die sicher vor allem für die Fans dieser Zeit interessant ist.
Margret Thorwart
Töchter
Lucy Fricke
Ein reines Lesevergnügen!
Zwei Frauen, Betty und Martha, brechen auf zu einer Reise in die Schweiz, mit dem todkranken Vater von Martha auf der Rückbank. Es soll eine letzte Fahrt sein, doch nichts endet, wie man es sich vorgestellt hat. Kurz vor dem Ziel in Chur gesteht der Todkranke, dass er gar nicht nach Chur, sondern noch ein bisschen weiter fahren möchte. Nach Stresa, zu Franziska, einer Liebe aus alten Tagen. Betty begibt sich nach der Abreise von Stresa auf die Spuren des Mannes, den sie „wie verrückt geliebt" hat.
Was die beiden, beste Freundinnen seit Ewigkeiten, vor allem verbindet, ist ihr jeweils nicht gelöstes Vaterproblem, das sie mit sich herumschleppen. So entwickelt sich die geplante Schweiz-Reise-Story zu einer furiosen Road-Novel.
Barbara Casper
Bleib bei mir
Ayobami Adebayo
Tradition und Moderne
Dieser außergewöhnliche Debütroman der jungen nigerianischen Autorin Ayòbámi Adébáyòs erzählt die berührende Geschichte von Yejide. Sie ist verheiratet mit Akin, den sie als Studentin kennengelernt hat. Beide möchten entgegen der nigerianischen Sitten eine moderne und monogame Ehe führen. Leider wird Yejide nicht schwanger, obwohl sie alles versucht hat.
Die Untersuchungen, Pilgerreisen und Stoßgebete waren vergeblich. Sie hofft nun auf ein Wunder. Akins Verwandtschaft kommt immer wieder zu ihnen ins Haus und fordert einen Stammhalter ein. Eines Tages bringt die Schwiegermutter eine Zweitfrau ins Haus, damit wenigstens Akin nicht kinderlos bleibt. Yejide ist verzweifelt und voller Wut. Sie geht zu einem Wunderheiler und behauptet schließlich schwanger zu sein, allen Ultraschallbildern zum Trotz. Es folgen dramatische Momente, wenn etwa die Zweitfrau auf mysteriöse Weise ums Leben kommt, als Akins Bruder Dotum auftaucht und Yejide plötzlich doch noch schwanger wird.
Eine fesselnde Geschichte, die zeigt, wie stark das Leben afrikanischer Frauen noch von alten Traditionen geprägt wird.
Anja Saly
So klingt ein Orchester
Sam Taplin
ab 3
Ein gesamtes Orchester zwischen zwei Buchdeckeln
Wir begleiten die Musiker des Orchesters vom Einspielen über das Proben bis zum Konzert. Es werden Holzbläser, Streicher, Blechbläser und die Pauken vorgestellt. Auf jeder Seite gibt es viel zu sehen und zu hören. Am Ende des Buches haben sich die Musiker schick gemacht, der Dirigent erhebt den Taktstock und es erklingt noch einmal Brahms‘ Ungarischer Tanz Nr.5.
Sehr liebevoll gestaltet und für mich eine erstaunlich gute Klangqualität.
Birgit Rupp
Der Wolf, die Ente & die Maus
Mac Barnett & Jon Klassen
ab 5
Wie lebt es sich im Bauch eines Wolfs?
Die Maus, und mit ihr der Leser, ist sehr erschrocken, als sie am Beginn des Buches vom Wolf verschlungen wird. Aber im Wolf sitzt Ente und führt ein sorgenfreies Leben, das auch mal verteidigt sein will. Eine aberwitzige Geschichte, die trefflich zum Diskutieren darüber einlädt, was gutes Leben ausmacht (und ob das Buch wirklich den Grund für das Heulen der Wölfe beschreibt...).
Sven Puchelt
Unterwegs mit Söckchen
Claire Lebourg
ab 6
Freundschaftsgeschichte mit liebenswerten Charakteren
Söckchen wohnt in seinem gemütlichen Haus direkt am Meer. Er genießt die Ruhe und sammelt für sein Leben gerne die Schätze aus dem Meer, welche die Flut jeden Tag in seinem Haus zurücklässt. Eines Morgens findet er das Walross Fiete in seinem Gummisessel. Fiete liest Söckchens Lieblingsbuch und isst seine Kekse. Söckchen versucht den gewichtigen Gesellen schnellstens wieder loszuwerden. Doch als Fiete dann mit einer schweren Erkältung in seinem Bett liegt, kümmert sich Söckchen liebevoll um ihn und die beiden haben eine richtig tolle Zeit miteinander. So fällt der Abschied dann schwer. Als Söckchens Laune danach immer schlechter wird, beschließt er, im Süden Urlaub zu machen. Dort angekommen lädt er seinen Freund Fiete ein, ihn zu besuchen. Dieser folgt der Einladung gerne und sie verbringen eine spannende gemeinsame Zeit, in der ihre Freundschaft noch auf die Probe gestellt werden wird.
Erstleser werden mit dieser originellen Geschichte und den liebenswerten Charakteren viel Freude haben. Man hat beim Erkunden der detailreichen Illustrationen mindestens so viel Spaß wie beim Lesen.
Patricia Mock
Bäume
Piotr Socha & Wojciech Grajkowski
ab 7
Baumwissen für alle
Was für ein Buch! Großformatig, üppig illustriert und prallvoll mit Wissen über Bäume. Socha und Grajkowski berichten von unterschiedlichen Wuchsformen, Blättern, Wurzeln, Stämmen, Überlebensstrategien, reisenden Bäumen, Baumfressern, Baumbewohnern, Baumrekorden, Baumnutzung, Stammbäumen, Bäumen in Religion, Märchen und Sagen. Ein fantastischer Blick auf die uns umgebende Natur!
Sven Puchelt
Toni - Und alles nur wegen renato Flash
Philip Waechter
ab 8
Was tut man nicht alles für neue Fußballschuhe
Toni hätte so gern diese neuen blinkenden Fußballschuhe, für die Renato Flash Werbung macht, aber seine Mutter lässt nicht mit sich reden. Also muss Toni unbedingt Geld verdienen, um sich die Schuhe selbst kaufen zu können. Doch das ist leichter gesagt als getan. Großartig in Text und Bild.
Sven Puchelt
Mira #freunde #verliebt #einjahrmeineslebens
Sabine Lemire & Rasmus Bregnhøi
ab 9
Wie geht verlieben?
Mira war noch nie verliebt, obwohl sie es schon versucht hat. Ihre beste Freundin Karla dagegen hat mit Beate, dem coolen neuen Mädchen in der Klasse, schon einen „Club der Verliebten“ gegründet. Mira ist außen vor. Ein herrlicher Comic, der mit viel Witz von dieser schwierigen Zeit zwischen Kindheit und Pubertät erzählt.
Sven Puchelt
Kannawoniwasein
Martin Muser
ab 10
Mit dem Traktor nach Berlin
Ein Junge fährt allein mit dem Zug nach Berlin. Unterwegs wird ihm sein Gepäck samt Fahrkarte, Geld und Handy geklaut. So etwas in die Richtung gab es doch schon einmal, oder? Der Verglich mit „Emil und die Detektive“ drängt sich bei diesem Buch natürlich auf, trotzdem ist „Kannawoniwasein!“ mehr als eine moderne Kopie des Kästner-Klassikers. Finn wird, als er keine Fahrkarte vorweisen kann, vom Schaffner am nächsten Bahnhof der Polizei übergeben. Der Streifenwagen hat aber einen Unfall und Finn verduftet mit der patenten Jola. Zusammen schlagen sie sich nach Berlin durch und finden natürlich auch noch den Rucksackdieb. Ein wunderbares Kinderabenteuer, sehr berlinerisch, aber auch im Badischen ein großartiges Lesevergnügen!
Sven Puchelt
Winterhaus
Ben Guterson
ab 12
Ein Kinderbuch der besonderen Art
Die elfjährige Elizabeth Somers wächst bei ziemlich schrägen Verwandten auf. Deshalb verwundert es sie nicht allzu sehr, dass sie von diesen in den Winterferien allein für drei Wochen in ein Hotel geschickt wird, von dem sie noch nie gehört hat. Elizabeth ist eine geschickte Wortspielerin und Rätsellöserin, was ihr im Verlauf der Geschichte sehr nützlich ist. Im Hotel angekommen trifft sie auf verschiedene Personen, und freundet sich mit Freddy an, einem Jungen in ihrem Alter, der ebenfalls ohne seine Familie dort ist. Schnell bemerken die beiden, dass an diesem Ort mysteriöse Dinge passieren, die mit der Familiengeschichte des Hotelbesitzers zusammenhängen. Die Auflösung der Rätsel führt die beiden Kinder oft in die hoteleigene Bibliothek und dort zu einem ganz besonderen Buch. Dies wurde schon von vielen Menschen gesucht, kann aber nur von einer Person gefunden werden, die ganz spezielle Kriterien erfüllt. Dies bringt die beiden Kinder in einige Schwierigkeiten...
Ein sehr gelungenes und spannendes Buch für alle Rätselliebhaber, gespickt mit liebevollen Illustrationen.
Sabine Schmidt-Bischoff
Eine Insel zwischen Himmel und Meer
Lauren Wolk
ab 12 Jahren
Eine Suche nach der eigenen Identität
Im Jahr 1913 wird in einem Boot ein wenige Tage altes Baby auf einer Insel angespült, die zu den Elisabeth-Inseln vor der Küste Massachusetts gehört. Osh, der einzige Bewohner, findet das Kind und nimmt es zu sich. Er gibt ihm den Namen Crow und zieht es zusammen mit Miss Maggie, die auf einer Nachbarinsel lebt, auf. Für Crow sind die beiden liebenswerten Außenseiter ihre „Familie“, die sie liebt und von denen sie geliebt wird. Ihre Herkunft und dass sie von den Bewohnern der anderen Inseln wie eine Aussätzige behandelt wird, ist lange Zeit kein Problem für sie. Als eines Tag auf der angeblich menschenleeren Nachbarinsel Penikese ein zwielichtiger Fremder auftaucht, überschlagen sich die Ereignisse. Und Crow bekommt Antworten, die sie allerdings auch auf einen gefährlichen Weg führen.
Eine Mischung aus Abenteuergeschichte und Identitätssuche, für junge und ältere Leser schöner Geschichten herausragend erzählt.
Margret Thorwart
Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren
Ali Benjamin
ab 12
Hier passiert das Leben
Die etwas eigenbrödlerische 12-jährige Suzy will die Tatsache nicht hinnehmen, dass ihre Freundin Franny, eine gute Schwimmerin, einfach ertrunken ist. Auf eine ganz eigenwillige Weise versucht sie, das Unfassbare zu begründen, um so ihrer Trauer etwas Konkretes entgegenzusetzen. Zahlen und Fakten sind ihr dabei wichtig. Hintergrundwissen zu sammeln ist ein unbewusster Trost, so zum Beispiel die Tatsache, dass ein Herz 412 Millionen Mal geschlagen hat, wenn man 12 Jahre alt ist. Zur Besorgnis ihrer Familie spricht sie nicht mehr. Die Aufarbeitung des Todes ihrer Freundin wird für Suzy aber auch ein manchmal trauriges und manchmal komisches Auseinandersetzen mit dem Leben.
Auf ganz zauberhafte, poetische Weise zeigt Ali Benjamin Suzys langen Weg aus der Trauer und den Schuldgefühlen. Als sie endlich annehmen kann, „dass die Dinge einfach passieren“ können, stellt sie sich die Frage „wie man wieder von vorne beginnen kann, wenn so was passiert ist.“
Es ist wunderschön zu lesen, wie sie die ersten unbeholfenen, aber auch kraftvollen Schritte zurück ins Leben macht und auch wieder zur Sprache findet.
Elke Weirauch-Glauben
Die Rabenringe - Odinskind
Siri Pettersen
ab 14
Eine Kerbe für alle, die das Staunen nicht verlernt haben
Der Verlag macht es einem wirklich leicht, nicht über diesen Roman hinwegzusehen. Viel zu neugierig macht die sparsame, aber wirkungsvolle Aufmachung. Wer dann die erste Seite aufschlägt und sich nicht nur die Karte von Ymsland ansieht, ahnt hier schon, dass auf ihn eine Geschichte voll Dramatik und Spannung wartet. Siri Pettersen hat mit „Odinskind“, dem ersten Teil einer Trilogie, für den Leser eine außergewöhnliche Welt geschaffen, die voll nordischer Mythologie steckt und dennoch so staunenswert anders ist. Die 15-jährige Hirka erfährt von ihrem Ziehvater Thorrald, dass sie in Wirklichkeit ein Odinskind ist und als einziges schwanzloses Wesen in großer Gefahr schwebt. Ihr Anderssein droht nämlich durch ein Initiationsritual entdeckt zu werden, und Hirka bleibt nur die Flucht, um zu überleben. Unerwartete Hilfe und Unterstützung erhält sie durch Rime, einen Rivalen und Freund aus Kindertagen, der aus einer sehr mächtigen Familie stammt. Beide müssen erkennen, dass nichts so ist, wie es scheint, und sie Spielbälle in einer Welt voller Strategien und Intrigen sind. Auf der gefährlichen Suche nach Antworten bleibt vielleicht nur der Weg in die geheimnisvolle und bedrohliche Anderswelt, aus der Hirka stammt.
Siri Pettersen hat Hirka und Rime eine Vielzahl toller Charaktere zur Seite gestellt, und das Warten auf die Fortsetzung der Geschichte im Februar 2019 wird unerträglich lang werden. Odinskind ist zwar ein Fantasy-Jugendbuch, aber wie so oft bei diesem Genre erwartet auch erwachsene Leser ein spannungsreiches Leseerlebnis.
Elke Weirauch-Glauben
Tankstellenchips
Antonia Michaelis
ab 15 Jahren
Die unglaubliche Geschichte von Sean und Davy
...„In Deutschland darf man schreiben, was man will“, sagte die Fahrerin. “Ich hab davon gehört“, sagte ich. „Schreiben denn alle, was sie wollen?“...
Antonia Michaelis jedenfalls schreibt, was sie will. Und macht es uns Lesern in ihren Büchern oft nicht leicht. In „Tankstellenchips“ jedoch erzählt sie wunderbar beschwingt und mit zum Teil trockenem Humor von Shayan, einem achtzehnjährigen Studenten, der aus dem Iran geflüchtet ist, und Davy, einem achtjährigen Ausreißer aus einem Kinderheim, der aus „Shayan“ der Einfachheit halber „Sean“ macht. Ein Zufall bringt die beiden zusammen und zwingt sie zu einer Reise quer durch Deutschland. Verfolgt werden sie auf dieser Reise von Verbrechern, der Polizei, der undurchsichtigen Lotta und Unmengen von Kühen. Wir Leser schließen das Gespann ganz schnell ins Herz und lassen uns von Sean gerne den Spiegel vorhalten. Sehr charmant verwebt Michaelis eine locker-leichte Geschichte mit ernsten Nebentönen.
Sven Puchelt